Von Saaten und Sorten
So, der erste Salat ist geschossen... Was nu? Kaninchenfutter? Nene, erst mal langsam! Wir lassen immer einige Pflanzen stehen und lassen sie in Blüte gehen und Samen ausbilden. Die werden dann geerntet, eingesammelt und ordentlich beschriftet aufgehoben für nächstes Jahr für die neue Aussaat.
Für mich ist das ein Menschenrecht und Samen sind "Open Source".
Leider sieht das der Gesetzgeber ganz und gar nicht so. Und erst recht nicht die großen Saatgut-Firmen - und die arbeiten auch ganz heftig gegen die freie Verfügbarkeit von Saatgut.
Stolperstein Nr.1 : Saatgutrecht und die EU
Es gibt in Deutschland ein Saatgutverkehrsgesetz und ein Sortenschutzgesetz. Ursprünglich sollte das die Bauern vor schlechtem Saatgut schützen. Das ging aber mal wieder nach hinten los: Im Rahmen der EU-Harmonisierungswut wurde die offizielle Sortenliste (nur was da drauf steht, darf offiziell als Saatgut verkauft werden) rigoros zusammengestrichen. Die Politiker wollten eigentlich nur Dubletten rausgestrichen haben. Und wen haben sie um Rat gefragt? Die Saatgut-Firmen... Die haben aber leider auch sehr viele lizenzfreie und alte Sorten gleich mit rausgeschmissen. So dürfen z.B. Bamberger Hörnchen nur als Speisekartoffel, nicht aber als Saatkartoffel verkauft werden.
Diese alten Sorten heißen im Bürokraten-Deutsch "Erhaltungssorten". Und auch an diesen regelt die EU rum: Seit 2009 gelten für diese Sorten ähnliche Regeln wie für normales Saatgut, allerdings darf nur die Menge von 0,5% der anderen Sorten in Verkehr gebracht werden. Das Erzeugen von Saatgut von Erhaltungssorten muss genehmigt werden und die Menge, die erzeugt werden darf, wird von Amts wegen zugewiesen.
Das hatten wir schon mal: "Inverkehrbringen" umfasst auch Verschenken oder Tauschen. Somit ist also das nicht genehmigte Samen tauschen oder Verschenken von Erhaltungssorten illegal...
Stolperstein Nr. 2: Lizenzen
Viele Samen und Pflanzen sind von Züchtern in jahrelanger Arbeit und mit viel Wissen und Können gezüchtet. Die Züchter wollen natürlich dafür entlohnt werden. Da sie meistens selber das Saatgut herstellen, packen sie auf den Preis einfach die sogenannten Lizenzkosten und gut ist. Oft wird Saatgut auch von anderen hergestellt - diese Hersteller müssen dann Lizenzgebühren an die ursprünglichen Züchter abführen.
Es gab weltweit von dieser Regelung Ausnahmen: zum einen das Züchterprivileg (ein Züchter darf eine geschütze Sorte anbauen und damit weiterzüchten) und das Landwirteprivileg. Dies erlaubt einem Bauern aus gekauftem Saatgut selber neues Saatgut zu gewinnen, indem er einen Teil der Ernte zurückbehält. Er darf diese Samen selber nutzen oder tauschen. Diese Privileg ist 1997 mit der Ratifizierung des UPOV gefallen: nun müssen Bauern Lizenzgebühren für von ihnen selbst erzeugtes Saatgut bezahlen! Weltweit werden Länder gedrängt, diesem Abkommen beizutreten - obwohl z.B. in Afrika die Bauern zu 90% selbst erzeugtes Saatgut einsetzen. Wie sollen die das bezahlen???
Stolperstein Nr. 3: Hybriden
Viele Gemüsesorten, die wir heute als Saatgut kaufen, sind sogenannte F1-Hybriden. Das heißt, sie erhalten ihre Eigenschaften aus der Elterngeneration, können sie aber nur bedingt oder gar nicht an ihre "Kinder" weitergeben. Sie werden auf hohen Ertrag und geringe Anfälligkeit gezüchtet und müssen jedes Jahr neu als Samen "hergestellt" werden. Samen aus Hybriden braucht man nicht ernten und verwahren - das gibt sowieso "nix 'rechts".
Stolperstein Nr. 4: Genveränderte Saaten
Genmanipuliertes Saatgut ist für mich sowieso absolut indiskutabel. Damit handeln wir uns wahrscheinlich mehr Ärger ein als mit der Atomkraft...
Ganz schlimm ist, was gerade da getrieben wird: alle Nas' lang werden Saatgut und Lebensmittel (!) gefunden, das mit genmanipuliertem Saaten verseucht sind, die letzten Funde waren sogar mit nicht zugelassener Gen-Saat. Außerdem soll ein Verunreinigungsgrenzwert eingeführt werden: jedes normale Saatgut soll eine Verunreinigung mit Gen-Saat bis zu 0,9% enthalten dürfen. Ich will aber gar keine Gen-Saat in meinem Garten haben! Durch die "Verunreinigungen" sollen wir uns an dieses Teufelszeug gewöhnen und es einfach hinnehmen. Warum ich so strikt gegen genmanipulierte Pflanzen bin, das wäre Stoff für einen eigenen Newsletter...
Stolperstein Nr. 5: Konzentration auf dem Saatgut-Markt
Der Saatgutmarkt ist international heiß umkämpft - ständig werden Firmen oder Abteilungen hin und her verkauft. Saatgut ist neben Wasser die Ressource der Zukunft. Wer hier die Macht hat, hat die Macht über unseren Hunger. Zur Zeit dominieren nur eine Handvoll Firmen weltweit den Markt: Monsanto, Pioneer Hi-Bred International (gehört zu DuPont), Syngenta, Dow AgroSciences, Bayer CropScience und BASF Plant Science. Nicht ohne Grund sind das alles Chemie-Unternehmen: die passenden Pflanzenschutzmittel produzieren sie gleich mit. Keine dieser Firmen hat ein Interesse an lokal angepassten, robusten und pflegeleichten Sorten...
Das Schlimmste ist aber der neueste Trend:
Stolperstein Nr. 6: Patentierung von Saatgut und Tieren
Mit der Patentierung gehen auch die letzten Rechte am Saatgut und den daraus entstandenen Pflanzen und neuen Samen verloren. Der Patent-Inhaber kann im Patent festlegen, was mit seinen "Produkten" gemacht werden darf. Er hält weiter Rechte an den entstandenen "Produkten" - und könnte bestimmen, ob und von wem die Ferkel geschlachtet werden dürfen... Und noch viel besser: er kann die Benutzung und Vermarktung von gleichen Pflanzen oder Tieren weltweit verbieten - noch Fragen?
Ute Luft, Juni 2010